„Erst im Angesicht des Todes erkennen viele, worauf es ankommt.“

„Erst im Angesicht des Todes erkennen viele, worauf es ankommt.“
Gian Domenico Borasio, Professor für Palliativmedizin

„Diese Studie ist unglaublich spannend. Sie besagt, dass Menschen, die bald sterben werden, nicht nur Altruismus entwickeln, sondern dass dieser Wertvorstellungs-Shift auch ihre Lebensqualität steigert. Das ist sozusagen der wissenschaftliche Beweis für das, was der Dalai Lama gebetsmühlenartig sagt: Altruismus ist eine Form von gesundem Egoismus. Die Studie wirft auch die wichtige Frage auf: Warum müssen wir eigentlich vor dem Ende stehen, um zu erkennen, dass Uneigennützigkeit zufrieden macht? Es gibt ein Zitat aus dem Koran, das besagt, dass die Menschen erst erwachen, wenn sie sterben. Erst im Angesicht des Todes erkennen viele, worauf es wirklich ankommt, und in den seltensten Fällen waren das dann berufliche Erfolge. Die Auseinandersetzung mit dem Tod ist die beste Gewähr für ein gutes Leben. Deshalb lohnt es sich, das Leben vom Tod her zu sehen.“
Gian Domenico Borasio, Professor für Palliativmedizin

Die Zitate sind aus einem Interview der Süddeutschen Zeitung mit Gian Domenico Borasi vom 19./20. November 2011 (Wochenendbeilage).

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21 Comments

  1. „Warum müssen wir eigentlich vor dem Ende stehen, um zu erkennen, dass Uneigennützigkeit zufrieden macht?“

    Weil kurz vor dem Ende Egoismus nichts mehr nützt?

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  2. Man läßt alles los, wenn man den Tod sieht. Ob es der Wunsch nach etwas ist, Verzweifelung über etwas, Streben nach …, alles fällt wie schwärmende Bücher auf den Boden. Es bleibt das Jetzt. Es zeigt sich das eigne Sein. War immer da. Man sieht das Sein im Anderen. Sieht es im Leben stehen. Das eigene Sein ist nicht mehr wichtig. Das Ich das Anderen ist auch nicht wichtig. Seine Sorgen und Vorhaben. Man hebt die Hand und zeigt auf das ‚daneben des Ichs, das dahinter‘. Aber der Gesunde sieht es nicht. Dann freut man sich, dass das Leben an sich in Anderen weiter lebt, auch wenn er sich nicht erkennt. Die Fackel wird übergeben. Man selber war es nicht, um den es ging. Das erleichtert. Man geht in der Überzeugung, im Wissen, ‚du Leben lebst‘. Auch wenn die Gesunden es nicht sehen. Sie sind sich Fremde in ihrer Haut. Außer das Kind am Krankenbette. Das … ja das sieht sich noch. Man lächelt dem Leben zu, dass sie womöglich erst im Alter wieder findet. Man schließt Frieden, weil es so ist. So ist es.

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  3. Dazu fällt mir ein Buch ein „Das Ende ist mein Anfang“ von Tizziano Terzani.
    Dieser ist auch mit diversen Themen auf Youtube zu sehen, wie er so erzählt. Wer Italienisch kann, sollte diese Filme unbedingt anschauen..er wirkt jedesmal so beruhigend auf mich. Sieht zwar mit seinem weißen Bart aus wie ein Guru, stand und steht aber ganz realistisch im Leben und erzählt auch so.

    ich wünsche allen einen liebenden Tag !

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      1. Hallo Valet, ich möchte Dir auch ein paar Gedanken zu diesem Thema schreiben.

        Ich war gestern auf einem Riesentrödelmarkt in Pouch. Der findet 2x im Jahr hier statt und wir sind fast jedesmal dort. Zweieinhalb Stunden lang pilgern von Stand zu Stand, ansehen, anfassen, prüfen, staunen, feilschen, Erfahrung austauschen. Dabei haben wir nicht einmal an jedem Stand angehalten.

        Die meisten Sachen sind echter Trödel. Genau das, was mich so fasziniert. Leben wir doch in einer Wegwerfgesellschaft, deren Ausmaße und Auswirkungen immer größer werden. Lernt die junge Generation überhaupt noch, Werte zu schätzen, Arbeit und Fleiß anderer zu würdigen? Alles muß immer moderner werden, noch besser, noch trendiger, aktueller, technisierter wenns geht. Was dem letzten Schrei nicht mehr entspricht, wird entsorgt. Um diesen Ansprüchen gerecht zu werden, wird alles auf Verschließ gefahren: Material, Qualität, Maschinen, Menschen.

        Auf den Trödelmärkten begene ich den Dingen, die von Menschenhand mit viel Mühe, Fleiß und Liebe zum Detail geschaffen wurden. Egal, ob aus Metall oder Holz, Stoff oder anderes. Für manches Holzmöbel wurde ein Baum verarbeitet, der über 100 Jahre gewachsen war. Das Möbel selbst ist vielleicht noch einmal so alt. Das handwerkliche Geschick und die gekonnte Verarbeitung lassen sich in vielen kleinen Details erkennen. Und der Restaurator auf dem Markt streichelt liebevoll das wieder hergestellte Werk.

        Es ist wie gesagt egal, aus welchem Werkstoff die Dinge gearbeitet wurden. Das geschmiedete Teil aus Guß verdient die Achtung ebenso wie die in Kupfer getriebene Kunst. Oder die uralte Ledertasche, verschlissen zwar, aber immer noch perfekt gebrauchsfähig und instand. Auch noch nach einhundert Jahren! Meine Handtasche hat es nicht einmal auf zwei Jahre gebracht.

        Ich hatte vor drei Jahren durch meine Krebserkrankung den Tod direkt vor der Nase. Ein Punkt, an dem ich angefangen habe über den Sinn des Lebens intensiver als früher nachzudenken. Und die Frage, was bleibt, wenn ich gehe. Nun, wenn ich inzwischen alte Stücke in die Hand bekomme, stelle ich mir immer einen Menschen dahinter vor. Der gelebt hat wie ich jetzt und der das Teil gefertigt hat. Auch wenn ich diesen Menschen nicht kenne, so verbindet mich doch sein Produkt durch die Wertschätzung seiner Arbeit mit ihm.

        Natürlich kann ich nicht allen Trödel kaufen und mir hinlegen oder -stellen. Vielleicht aber hat jemand anderer Verwendung dafür. Sicher hat ein alter Küchenschrank nicht den gleichen Wert wie ein alter Rembrandt, auch wenn beide gleiche Jahre auf dem Buckel haben. Schön würde ich es finden, wenn unsere Gesellschaft zurückfinden könnte, Arbeit wieder anzuerkennen. Richtige Arbeit meine ich, handwerkliche. Als Ruhepole in einer schnelllebigen Zeit. Als Erinnerung daran, dass da auch schon vor uns Menschen etwas geschaffen haben. Dass sie gelebt und uns Bleibendes hinterlassen haben. Ohne Computer, ohne iPods, ohne Fernbedienung von Fensterläden, Lichtschaltern und Fersehgeräten. Nur mit dem Wissen und dem Können ihrer Zeit.

        Der Traum der Menschheit ist Frieden. Vielleicht überleben so ein paar von meinen Geschichten oder Büchern die Zeit. Vielleicht halten einst meine Urur-Enkel die zerfledderten Dokumente in der Hand und stellen erstaunt fest: aha, so haben die also gelebt. Diesen Gedanken finde ich schön. Wenn ich sie mir dann noch dabei in den Resten unserer nach alter Tradtion aus festen Ziegeln gebauten Laube sitzend vorstelle, ist meine Vision perfekt.

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    1. Sehr wahr! Du schreibst weise, trotz oder wegen Deines Alters. Auf jeden Fall sehr treffend – und in einer guten Schreibe, gefällt mir, Kompliment. Werde bald mal bei Deinem Blog wieder vorbeischauen. Viele Grüße Ben von Valeat

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  4. Ich fürchte das ist eine unbestreitbare Tatsache. Der Mensch muss Leid erfahren, um zu schätzen, was ihm gegeben ist. Das ist eine, sich durch die Menschheitsgeschichte ziehende Wahrheit. Warum sonst beschreibt man die Ärmsten der Armen als die wohl uneigenützigsten, zuvorkommendsten Menschen. Ein Mensch der kein wahres Leid erfahren, kann auch nie wahres Glück empfinden. Ohne Licht kein Schatten.

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  5. Ist es nicht einfach so, dass im Angesicht des Todes jeglicher Kampf gegen andere Ego’s, den man im Laufe des Lebens führen musste, sinnlos erscheint, weil es nichts mehr zu kämpfen gibt? Wenn das so ist, dann wäre eine altruistische Sichtweise leicht zu erklären.

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  6. Mit 17 Jahren fragte ich mich: Tod wirst kommen als mein Freund oder Feind? Im letzten Jahr verstarb meine Freundin, nach ihrem 45 Geburtstag, nach vier Jahren dauernder Auseinandersetzung mit der Krankheit Krebs. Und ihre letzte Nachricht: an den Übergang zu glauben. Nach dem Tod meines Vaters (Herzinfakt mit 61) sagte mein damals zweieinhalbjähriger Sohn: „der Opa ist jetzt dort angelangt, woher ich gekommen bin“.

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  7. Oftmals weiß man aber nicht das der Tod vor der Türe steht, zum Beispiel bei Verkehrs- oder Arbeitsunfällen. Dann kann man doch wieder daraus schließen, das auch die Weisheit eines sterbenden hinzu kommt.

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  8. Du hast einen kurzen Kommentar zu meinem eBook ‚Mein geschenktes Leben‘ abgegeben. Danke dafür. Darin habe ich an mir selbst erfahren, wie gut das Leben tut, wenn der Tod vor Augen steht.

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  9. So sehe ich es im Nachhinein als ein absolutes Privileg an, dass ich bereits in jungen Jahren mit Sterbenden Kontakt hatte und ihnen auch zugehört habe. Dies ist nur eine Bestätigung und sie macht oftmals sehr zufrieden ,-)))

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