Über E-Books und das Lesen

Dauernd wird irgendetwas neu erfunden, aber das Einzige, was bis jetzt nicht geändert werden kann, ist, dass sich unser Gehirn für eine Seite zwei Minuten Zeit nimmt. Mehr kann es nicht leisten. Wenn ich daneben noch Musik habe und ein Ballett auf dem Bildschirm sehe und möglicherweise eine Amazon-Empfehlung in bewegten Bildern, dann sind das alles nur Lügenmärchen von einer behaupteten Vielfalt. In Wahrheit ist die Konzentration auf den Text durch nichts anderes zu ersetzen. Das Internet täuscht eine Vielfalt vor, die es in Wirklichkeit gar nicht gibt. Verlage nutzen das Internet nur als Verkaufsplattform. Es hat sich keine Netzkultur entwickelt, eher eine Netzunkultur.

Michael Krüger (Jahrgang 1943), Geschäfsführer beim Hanser Verlag, in einem Gespräch mit Helge Malchow, Verleger bei Kiepenheuer & Witsch, und der Schriftstellerin Juli Zeh. Die Zeit, Nummer 7, 15. November 2012. Pflichtlektüre für Menschen, die mit Büchern zu tun haben.

Mehr dazu:
Über Autoren und Literatur
Über die Zukunft von Büchern

Und hier geht zu „Wie wollen wir lesen“ in Zeit online…

10 Comments

  1. Gelegentlich wird ja behauptet – evt. haben es amerikan. Wissenschaftler herausgefunden ; ) – Frauen seien besser beim Multitasking. Das mag ja für Bügeln und Fernsehen, Spülen und Radiohören zutreffen, aber auch ich möchte bei konzentriertem Schreiben gern bei einer Sache bleiben. Mag sein, dass mir dabei etwas zu einer anderen Aufgabe einfällt, dann notiere ich mir das kurz und kehre gleich wieder zur eigentlichen Aufgabe zurück. Idealerweise erledige ich gern eins nach dem anderen. Ähnliches gilt fürs Lesen, ich lese zwar am Tag an mehreren Büchern, aber natürlich nicht gleichzeitig. Wenn die Texte aber Bilder enthalten, so lenkt mich dies nicht ab. Insofern verstehe ich das Argument eigentlich nicht. Internetkultur gibt es durchaus, sie ist nur anders als das Lesen eines Buches.

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    1. Bügeln und Fernsehen geht auch bei Männern, Spülen und Radiohören sowieso. Du sagst das ganz richtig: Fokussierung auf die „eigentliche“ Aufgabe, das ist wichtig und nur das ist erfolgreich – für Frau wie Mann. Zu Texten und Bildern: Ich glaube schon, dass Bilder, vor allem animierte, vom konzentrierten Lesen abhalten. Aber Du hast recht: Internetkultur ist in Ordnung, aber irgendwie anders. Wir haben die Wahl. Dir lieben Dank und viele Grüße.

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  2. Ich suche den Originalartikel im internet. Finde ihn nicht, die betreffende Ausgabe hab ich aber schon gefunden… Bin ich blind? Wie heißt der denn, das hülfe vielleicht. Danke.

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    1. Ich habe ihn auch gesucht, um darauf zu verlinken – vergeblich. Der Beitrag ist mit „Wie wollen wir lesen“ überschrieben und ist am 15. November in der Zeit erschienen.

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    1. Das scheint mir eine zu einfache Behauptung. Spezialisten auf diesem Gebiet sind da wohl vorsichtiger im Behaupten. Ich weiss jedenfalls, dass ich während des Verfassens dieser Antwort daran denken kann, was ich heute alles zu tun habe und dazu auch noch Nachrichten hören könnte. Letzteres tue ich allerdings nicht, weil ich Mühe mit dem Multitasking habe, gegen das ich lieber ankämpfe. Kämpfe ich gegen etwas, das es nicht gibt?

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      1. Als Geisteswissenschaftler ist man ja eh etwas skeptisch gegenüber den so genannten wissenschaftlichen Aussagen. Sicherlich gibt es sich widersprechende Theorien. Meine Erfahrung sagt mir, dass ich meine Aufmerksamkeit nur einer Tätigkeit und nicht zwei oder drei gleichzeitig „kon-zentriert“ widmen kann. Damit meine ich nicht, dass man beim Hemdenbügeln nicht fernsehen könnte. Aber wer schon einmal Autofahrern mit einem Handy am Ohr begegnet ist, der weiß, dass sich die Aufmerksamkeit nicht beliebig teilen lässt.

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